M. Sochin: Das Höhere Töchterinstitut St. Elisabeth

Cover
Titel
Du Mägdlein höre!. Das Höhere Töchterinstitut St. Elisabeth 1935–1994


Autor(en)
Sochin, Martina
Reihe
Reihe Religion – Politik – Gesellschaft in der Schweiz 48
Erschienen
Fribourg 2007: Academic Press
Anzahl Seiten
214 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Esther Vorburger-Bossart

Gleich zwei Desiderate der jüngeren Katholizismusforschung sind mit dem anzuzeigenden Werk angesprochen: Eine kulturgeschichtlichen Ansätzen verpflichtete Katholizismusforschung in Liechtenstein und die weibliche Kongregationsforschung.

Die für den Druck bereitgestellte Freiburger Lizentiatsarbeit steht im Schnittfeld nationaler, bildungspolitischer und katholizismusgeschichtlicher Entwicklungsfelder des Fürstentums, denen die Autorin in einer einleitenden Auslage zum Katholizismus Liechtensteins, zur Mädchenbildung und zum katholischen Frauenbild des 20. Jahrhunderts nachspürt. Dass dabei vom Schweizer Katholizismus als historische Bezugseinheit ausgegangen wird, ist nicht nur naheliegend, sondern auch kirchenrechtlich und -geschichtlich gerechtfertigt, war doch Liechtenstein bis 1997, bis zur Abtrennung vom Bistum Chur und bis zur Schaffung einer eigenen Erzdiözese, seit dem 5. Jahrhundert dem Bistum Chur zugehörig und damit eine schweizerische Diözese.

Das «Höhere Töchterinstitut St. Elisabeth» war für die Bildung und Erziehung von Frauen im Fürstentum Liechtenstein des 20. Jahrhunderts eine wichtige Institution. Bis Ende der 1960er Jahre war es auch die einzige Institution, die liechtensteinischen Frauen eine Möglichkeit bot, sich eine höhere Bildung im eigenen Land anzueignen. Damit erhielt das Schwesterninstitut «St. Elisabeth» wohl einen noch zentraleren Stellenwert für die landeseigene weibliche Bildung als dieser vergleichsweise den schweizerischen kongregationistischen Bildungsinstitutionen für Frauen im 19. und frühen 20. Jahrhundert beigemessen werden kann. Institutionalisiert wurde «St. Elisabeth» von den Schwestern der Kongregation der Anbeterinnen des Blutes Christi (1834 von Maria De Mattias südoÅNstlich von Rom gegründet), die 1922 mit der Ansiedlung in Balzers die Wurzeln für die heutige Provinz Schaan legten.

Um die Geschichte des Höheren Töchterinstituts nachzuzeichnen, wählt die Autorin mehrheitlich einen institutionengeschichtlichen Ansatz – wo die Institutionen- und Ereignisgeschichte nicht aufgearbeitet ist, möge diese noch geleistet werden. In Kenntnisnahme der kulturgeschichtlichen Wende innerhalb der neueren geisteswissenschaftlichen Forschungsentwicklung ist es zu unterstützen, dass dabei die Kultur- und Mentalitätsgeschichte wie im zu besprechenden Buch nicht aus dem Blickfeld gelassen wird, dass sie vielmehr weitmöglichst integriert wird. Neben diesen ereignisgeschichtlich verpflichteten Fragestellungen ist es eine weitere zentrale Frage von Sochin, die Bedeutung und die Verankerung des Instituts St. Elisabeth im staatlichen und katholischen Liechtenstein aufzuzeigen, was anhand der einzelnen Abschnitte in der dargestellten Institutsgeschichte gut gelingt. So gibt die Chronologie gleichzeitig den Raster für den Aufbau der Studie an. Die im Titel aufgeführten Eckdaten rahmen deren Untersuchungszeitraum ein: Die Gründung im Jahr 1935 und die UÅNberführung des Schwesterninstituts in eine staatliche Trägerschaft im Jahr 1994. Folgende Phasen werden in chronologischer Abfolge ausgeführt: Die Jahre 1922 bis 1935 waren geprägt von den beiden hintereinander gewählten Klosterstandorten Gutenberg in Balzers und Schaan, wo die Kongregation der Anbeterinnen 1935 in den Klosterneubau einzog. Das Kloster und das in diesen Baukomplex integrierte Töchterinstitut wurden nach Fürstin Elsa von und zu Liechtenstein, Gattin des damals amtierenden Fürsten Franz I. und Protektorin über den Klosterbau, benannt. An diesem Beispiel lässt sich eine vorderhand ideelle Verquickung des Klosters mit dem Fürstenhaus wie in späteren Unterstützungsleistungen gut aufzeigen. Den Titel eines «Höheren Töchterinstituts » erhält «St. Elisabeth» aufgrund der Bestrebungen, ab 1942 ein Mädchengymnasium und eine Handelsschule einzuführen. Vielleicht wegen der Kleinräumigkeit des liechtensteinischen Landes und der dortigen bis zur Jahrhundertmitte noch vorherrschenden ländlich-agrarischen Strukturen war diesen Lehrgängen nur eine kurze Dauer von höchstens vier Jahren beschieden. Hingegen trug die im Gefolge dazu 1946 neu gegründete bzw. in eine höhere Töchterschule umgewandelte Schulrichtung mit Sekundar-, Handels- und Hauswirtschaftsfächern der Nachfrage nach Ausbildungsangeboten im Dienstleistungssektor den liechtensteinischen Begebenheiten einer wachsenden wirtschaftlichen Prosperität der Nachkriegszeit mehr Rechnung. Die grösste und nachhaltigste Zäsur in dieser Institutsgeschichte hinterlassen wie in sämtlichen katholischen Bildungsinstitutionen der Nachkonzilszeit die Auswirkungen der gesellschaftlichen Umbrüche der späten 1960er und 1970er Jahre. Auf struktureller Ebene bedeutete dies etwa die Angleichung des Lehrplans an entsprechende staatliche Ausrichtungen, stark verknüpft mit der personellen Seite, die durch Schwesternrückgänge bzw. durch Laisierung des Lehrkörpers geprägt war. Zu Beginn der 1990er Jahre führten dieseVeränderungen zur Überführung von «St. Elisabeth» in eine staatliche, nun koeduziert geführte Realschule, die mit dem Schuljahr 1994/95 in Kraft trat. Damit zeigt die Autorin vor allem den strukturellen Wandel über die knapp sechzig Jahre des «Höheren Töchterinstituts» auf. Mit der Darlegung des von den Schwestern propagierten Frauenbildes, kommen im letzten Kapitel Aspekte der Mentalitätsgeschichte einer weiblichen Kongregation zum Tragen.

Sochin hat ein interessantes Stück Frauen- und Katholizismusgeschichte Liechtensteins vorgelegt. Neben dem Porträt dieser bedeutenden liechtensteinischen Frauenbildungsstätte hat sie das sich wandelnde Spannungsfeld von moraldisziplinarischen, ökonomischen, gesellschaftlichen und staatspolitischen Haltungen, Erwartungen und Doktrinen entfaltet, in dem sich «St. Elisabeth» bewegte.

Zitierweise:
Esther Vorburger-Bossart: Rezension zu: Martina Sochin: «Du Mägdlein höre!» Das Höhere Töchterinstitut St. Elisabeth 1935–1994. Fribourg, Academic Press, 2007. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 58 Nr. 3, 2008, 200 S. 355-356.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 58 Nr. 3, 2008, 200 S. 355-356.

Weitere Informationen